Stabilität des Stromnetzes
Die Frage, die sehr oft gestellt ist, ist die nach der Stabilität des Stromnetzes und ob es dazu auch Indikatoren gibt, die hier eine klare Aussage zulassen? Dazu wird in den Medien und auch von der Politik der SAIDI Wert verwendet. Wir wollen uns diesen und das Redispatch genauer anschauen.
Redispatch oder SAIDI
Durch die Schwankende Einspeisung der EE und die regionalen Unterschiede zwischen Produktion und Verbrauch sind immer mehr Redispatch Maßnahmen notwendig. Redispatch Maßnahmen sind notwendig, um hauptsächlich die Übertragungsnetze zu entlasten. Allerdings sind auch Redispatch Maßnahmen auf dem Verteilnetz notwendig. Beim Redispatch schaltet man in Regionen, wo viel Strom benötigt wird, die EE jedoch den Bedarf wetterbedingt nicht decken können, regelbare Kraftwerke dazu und an anderer Stelle wo viel EE eingespeist wird und der Strom nicht benötigt wird, die EE ab. Oder man nimmt Strom von hoch belasteten Stromleitungen weg und leitet diesen auf weniger belastete Stromleitungen um. Das birgt natürlich gewisse Risiken. Denn funktionieren diese Maßnahmen nicht wie geplant, kann es sehr schnell zu Überlastungen des Übertragungsnetzes führen.
Hier einmal eine Übersicht über die Anzahl der Eingriffe in das Übertragungsnetz um dieses stabil zu halten. Als Info so noch erwähnt, dass Deutschland im gesamten Jahr 2000 8 Redispatch Maßnahmen durchführen musste.

2024 - Rekord bei den Redispatch Maßnahmen
Im Jahr 2024 sind die Redispatch Maßnahmen alleine im Übertragungsnetz auf 17.297 Eingriffe gestiegen. Das sind im Durchschnitt 2 Eingriffe pro Stunde! Es gab noch nie die Notwendigkeit, so oft stabilisierend in das Stromnetz eingreifen zu müssen, wie 2024. Das ist zum Vorjahr ein Anstieg von 14%!
Fehlende Großkraftwerke
Die Stabilität des Stromnetzes hängt auch am Rückbau der großen konventionellen Kraftwerke. Ein Großkraftwerk wie Isar 2 hatte einen Generator von mehreren 100 Tonnen, welche rotieren. Wenn sich nun Laständerungen im Stromnetz ergeben, dann wirken solche Generatoren als Dämpfer. Fällt beispielsweise die Frequenz von 50Hz (Sollwert im europäischen Stromnetz) nach unten, dann lässt sich diese große Masse davon nicht beeinflussen und glättet diese Schwankung aus (Momentanreserve).
Durch ein Regelsystem wird die Leistung des Kraftwerkes erhöht und somit die Frequenz wieder stabilisiert. In diesem Zusammenhang der Hinweis, dass auch AKWs regelbar sind. Isar 2 war in der Lage einen Leistungsgradienten von 30 MW pro Minute zu fahren.
Bei PV und WKAs ist es leider nicht möglich, den Abfall der Frequenz zu glätten, da diese ja 'nur' die Energie abgreifen können, welche über Wind und PV zur Verfügung gestellt wird.
Auch sind konventionelle Kraftwerke sog. "Grid former". Das heißt: Sie halten die Netzfrequenz bei 50 Hertz. Kraftwerke der EE sind sog. "Grid follower". Also eine PV-Anlage richtet sich nach der Netzfrequenz. Fällt diese ab, so wird auch der Wechselrichter sich an der abfallenden Frequenz anpassen. Er folgt der fallenden Frequenz, während konventionelle Kraftwerke sich davon nicht beeindrucken lassen und die Leistung soweit anpassen, bis die 50 Hertz wieder erreicht werden.
Erneuerbare Kraftwerke welche als "Grid former" arbeiten, werden erst entwickelt und sind vor 2027 wohl nicht für den Einsatz verfügbar.
SAIDI
Sehr oft liest man in den Medien, dass unser Stromnetz absolut sicher ist und man im Jahr 15 bis 20 Minuten keinen Strom hat. Man verwendet hier den sog. SAIDI-Wert. Lassen Sie uns das einmal genauer anschauen, was der Unterschied zwischen SAIDI und Redispatch ist.
Der SAIDI sagt richtiger Weise aus, wo lange ein Verbraucher im Durchschnitt pro Jahr keinen Strom hat. Zur Ermittlung dieses Wertes sei noch erwähnt, dass Störungen aufgrund höherer Gewalt wie etwa Naturkatastrophen nicht berücksichtigt werden. Also die Unterbrechungen im Arthal 2021 werden hier nicht berücksichtigt. Aber das sei nur am Rande erwähnt.
Beim SAIDI hat Deutschland einen Wert um die 12 Minuten, was sehr gut ist. Doch kann man von diesem Wert ableiten, wie stabil oder sicher unser Stromnetz ist? Nein, das ist nicht der richtige Wert. Der richtige Wert um das Stromnetz zu bewerten ist das Redispatch, denn diese Eingriffe betreffen die Hochspannungsnetze, also im Bereich der 400.000 Volt, die auch als Übertragungsnetze bezeichnet werden. Die Übertragungsnetze sind die Autobahnen unseres Stromnetzes.
Wenn Sie mit dem Auto unterwegs sind und Sie hören sich die Verkehrsdurchsage an, dann kommen zuerst die Autobahnen und dann die Bundesstraßen. Das entspricht im Stromnetz dem Übertragungsnetz. Sie werden bei den Verkehrsdurchsagen nicht hören, wenn eine Hofeinfahrt zu einem Haus gesperrt ist. Auch wenn das für den Anwohner ärgerlich ist, wirkt sich das auf die gesamte Verkehrssituation nicht aus. Doch die Hofeinfahrt ist im Stromnetz der SAIDI Wert.
Redispatch der richtige Wert
Warum ist der Redispatch der richtige Wert? Nun weil der aussagt, wie oft die Übertragungsnetzbetreiber aktiv in das Übertragungsnetz eingreifen müssen, damit das Stromnetz nicht zusammenbricht. Auf die Autobahnen bezogen kann man sich das so vorstellen, wie oft man den Verkehr von einer Autobahn auf eine andere umleiten muss, weil es Stau gibt.
Gutes Beispiel sind die Urlaubszeiten. Da reichen die Autobahnen oft nicht aus, um den gesamten Urlaubsverkehr (im Stromnetz ist das beispielsweise eine hohe EE Einspeisung) bewältigen zu können. Es kommen dann permanent Hinweise an die Autofahrer, wie sie fahren sollen oder gewisse Strecken umfahren sollen um eine Autobahn entlasten zu können. Und genau das gleiche ist das Redispatch im Stromnetz.
Hier schaut sich das Personal in den Zentralen der Übertragungsnetzbetreiber die Auslastung der Übertragungsnetze an. Werden kritische Werte erreicht (zu viele Autos auf einer Autobahn) dann sucht man eine Stromleitung, welche noch freie Kapazitäten hat und routet den benötigten Strom über diese Stromleitung. Wenn der Strom so umgeleitet werden kann, dann ist alles ok.
Am 08.01.2021 hatten wir so eine Konstellation. Da wurden ca. 6,4 GW aus Osteuropa nach Westeuropa geroutet. Es trat dann eine Überlastung eines 400 KV Umspannwerkes in Kroatien auf. Da jedoch der Strom von Osteuropa nach Westeuropa transportiert werden musste, wurde der Strom über 13 weitere Umspannwerke geleitet (Redispatch). Doch auch bei diesen trat dann eine Überlastung auf und alle hatten sich abgeschaltet, was zu einer Auftrennung des europäischen Stromnetzes in 2 Teile zur Folge hatte. Eine sehr kritische Situation, welche es bis jetzt nur 3 Mal gab.
Diese Konstellation lässt sich auf das Straßennetz folgendermaßen übertragen: Passiert auf einer Autobahn während der Hauptreisezeit ein Unfall, was zur Sperrung der Autobahn führt und der gesamte Verkehr muß auf umliegende Bundesstraßen umgeleitet werden.
Ich denke ein jeder kennt die Situation und weiß, was das bedeutet. Und die gleiche Konstellation hatten wir am 08.01.2021 in Kroatien durch den Ausfallen eines 400.000 Volt Umspannwerkes (Vollsperrung einer Autobahn) und den Strom konnte man halt nicht auf die 'Bundesstraßen' umleiten, was dazu führte, dass es es in Osteuropa zu viel Strom gab (Netzfrequenz stieg stark an) und in Westeuropa zu wenig Strom gab (Netzfrequenz viel stark ab). Zur Stabilisierung wurden in Osteuropa die Leistung vieler Kraftwerke reduziert. In Westeuropa wurde sofort eine 400 KV Leitung in Frankreich und Italien vom Stromnetz getrennt und alle verfügbaren Kraftwerke mussten ihre Leistung erhöhen.
Unterschied vom Stromnetz zur Autobahn ist, dass man dann auf der Autobahn mit seinem Fahrzeug warten muss, wenn die Umleitung nicht möglich ist, bis es wieder weiter geht. Das geht leider im Stromnetz nicht, denn die Produktion von Strom und der Verbrauch MÜSSEN IMMER (sekundengenau) identisch sein, ansonsten kommt es zu einer Abweichung der 50 Hz, was dann gewisse Maßnahmen in Abhängigkeit der Netzfrequenz erforderlich macht. Das Stromnetz speichert eben nicht den Strom, auch wenn das gewisse Politiker so darstellen.
Hinweis
Vereinfacht habe ich jetzt nur die Redispatch bei den Übertragungsnetzen (Autobahnen) dargestellt. Die Redispatch Maßnahmen gibt es natürlich auch bei den Betreibern der Verteilnetze (Bundesstraßen) im Bereich der 110.000 Volt Leitungen. Da aber mit solchen Leitungen nur kleinere Regionen versorgt werden, habe ich das jetzt nicht dargestellt. Doch es handelt sich hier um die gleiche Vorgehensweise wie bei den Übertragungsnetzbetreibern nur in einem anderen Spannungs- und Leistungsbereich.
Vermeintliche Sicherheit
Das Problem beim Redispatch ist, dass der Bürger das nicht bemerkt. Wie die Grafik oben zeigt, muss immer öfter in das Stromnetz eingegriffen werden, um es stabil zu halten. Doch das sieht man als Stromkunde alles nicht.
Erhöhte Eingriff in das Stromnetz sagen noch nicht aus, dass es morgen zum Zusammenbruch kommt. Doch es sollte jedem klar sein, dass es bei ständig steigenden Eingriffen früher oder später zu Komplikationen kommen kann, welche zum Ausfall von Teilen oder des gesamten europäischen Stromnetzes führen kann, jedoch nicht muss.
Würden die Redispatch Maßnahmen wieder sinken, könnte man von einem temporären Zustand ausgehen. Doch die Eingriffe der Netzbetreiber sind von Jahr zu Jahr gestiegen, was schon besorgniserregend ist und auch mit sehr hohen Kosten verbunden ist.